Rheinischer Merkur
 
Nr. 03, 15.01.2004
 
 
   BERLINER LUFT
 
 
   KP Herbach
 
 
   Autor: HANS-JOACHIM NEUBAUER
 
 
   Man sah ihm gern zu, wie er sich, groß, imposant und sehr gelassen,
   unter das Publikum mischte. Dann stand man neben ihm, bestaunte den
   Anstecker an seinem Revers und fühlte sich wohl bei dem Mann, der
   keinen Vornamen brauchte. Von allen, die das Westberliner literarische
   Leben geprägt haben, war KP Herbach nicht nur der Sanfteste, sondern
   wohl auch der Beliebteste.
 
   Seit 1967 leitete er den legendären Buchhändlerkeller in Friedenau, wo
   auch Uwe Johnson, Max Frisch und Günter Grass lebten. 1979 zog man um
   in die Charlottenburger Carmerstraße. Immer donnerstags fand dort eine
   einzigartige literarische Soiree statt: Charmant und bescheiden
   stellte Herbach seinen schreibenden Gast vor, der las, und auf ihren
   Autositzen saßen die Zuhörer und hörten zu. Das war alles, und das war
   sehr viel. Hinterher trank man roten Wein, guckte die alten Plakate an
   und redete. Später dann saßen Freunde und Habitués drüben im Diener.
   Und redeten weiter.
 
   KP Herbach hat nicht nur ungezählte literarische Karrieren begründet
   und begleitet, er war auch Pressesprecher der Akademie der Künste und
   leitete, gemeinsam mit Axel Haase, eine kleine, aber feine
   literarische Agentur am Kurfürstendamm. So kannte er alle, und die
   meisten kannten auch ihn und liebten sein Lachen. Alle möglichen Leute
   kamen in den Buchhändlerkeller: Dichterwitwen, Starautoren und
   Jungschriftsteller, Medienleute, Studenten, Verleger, Agenten und
   Anfänger, die Prominenz von morgen und auch die von gestern.
 
   Herbach gab ihnen das Gefühl, zusammenzugehören. Wir Jüngeren, für die
   Friedenau ein Mythos war, wärmten uns an seiner Freundlichkeit und
   dachten, dass es solche Leute eigentlich nicht mehr gibt. Seit Anfang
   der Woche stimmt das: Kurz bevor Herbach sechzig wurde, hörte sein
   krankes Herz auf zu schlagen. Seither wird auch sein Vorname
   Klaus-Peter genannt. Den wird man vielleicht vergessen, nicht aber den
   Mann, der für alle nur KP war. Er konnte so schön lachen.